29. September 2008

Das Prinzip des kleinen Konstrukts.


Es ist schon wieder so still geworden.
Oft muss man reden, auch wenn man schweigen muss.
Aber manchmal muss man auch einfach mal schweigen,
auch wenn man reden muss.
Aber für eine kleine Weisheit reicht meine Mitteilungskapazität aus.

Man kann die Welt nicht dafür hassen, dass sie nicht ist, wie man sie gerne hätte.
Man kann die Menschen nicht dafür hassen, dass sie einen nicht verstehen -
ebenso wenig kann man sich selbst dafür hassen, dass man nicht der ist,
der man gerne wäre, oder dafür, dass man sich selbst nicht versteht.

Ideale zu haben, sollte nicht in Hass oder Selbsthass resultieren.
Viel eher sollten sie an einer Entwicklung teilhaben,
statt ihr entgegenzuwirken und sie zu verstümmeln.


Es ist genug.


Z.

15. September 2008

Wrastafahrwra - Entstehung.

"Darf ich vorstellen? Dies hier ist Wrastafahrwra."

Die Gestalt neben dem alten Mann winkt und murmelt etwas
in einer kryptisch anmutenden Art Ursprache.

"Aha." sage ich.

"Ganz ruhig", sagt der Alte.

Ich bin mir nicht ganz sicher,
ob er damit mich oder diese Gestalt meint.

"Ihr werdet von nun an zusammen wohnen.
Die Frage ist nun, wer von euch beiden umziehen wird."

Der Alte schaut fragend zwischen mir und der krüppeligen
Gestalt hin und her, die aufgeregt zu grunzen beginnt.

"Nun, gut...", meint der Alte daraufhin,
"Sie dürfen ihren Körper behalten", meint er zu mir.

Ich werde ein wenig nervös und merke,
wie meine Handflächen feucht werden.

Der Greis steckt seine Hand in die Taschen
seiner Kutte und beginnt darin zu wühlen.

"Ah!", haucht er und schaut prüfend auf die
mattgoldene Ampulle in seiner Hand.

Er steckt sie in einen Apparat und dreht daran an einem kleinen Rad,
woraufhin das Gerät leise zu klackern beginnt, wie ein Automat,
in dem man eine Münze geworfen hat.

"So!", schnurrt der Alte und verpasst der Kreatur eine Art...
Kopfschuss.

Diese beginnt zu kreischen und fällt mit voller Wucht zu Boden.

"Was war das?!", frage ich neugierig erregt.

"Willst du auch?", gegenfragt mich der Alte mir einem Lächeln,
welches ich nervös erwidere und nicht weiter nachhake.

Der Krüppel krümmt und windet sich auf dem Boden,
er performiert einen Zustand der Agonie.

Nach ein paar Sekunden folgt diesem Schauspiel eine Art Auferstehen.
Die Gestalt hievt sich auf die Knie während der Greis ihr einen
kleinen Blecheimer vors Gesicht hält.

Der Krüppel beginnt zu würgen und mit einem fürchterlichem Stöhnen
bricht ein Schwall stinkender Brühe aus seinem Maul,
der komplett ins rostige Eimerchen plätschert.

Schließlich hält er mir den Eimer unter die Nase.
Und als ich frage "im Ernst?!" meint er bloß

"Sie waren es doch, der seinen Körper behalten wollte?"
und grinst dabei plaisiert.

Die Brühe riecht nach faulem Fleisch und... Erdnüssen. Fürchterlich.

Ich zögere ...
Und leere sie dann in vollem Zug in meinen offenen Mund hinein.

Mein Körper reagiert darauf mit einem Schock und diesmal bin ich es,
der zu Boden bricht.

Ich tapse orientierunglos bis ich das Gleichgewicht verliere und
mit dem Kopf gegen den kalten Steinboden schlage.
Der brenndende Schmerz strömt durch meinen ganzen Körper.

Als ich wieder zu mir komme sehe ich den Alten,
wie er auf einem Stuhl sitzt und mich anstarrt.

"Naa? ... Gut überstanden?", will er wissen.

Doch ich kann ihm nicht antworten.
Etwas stimmt mit meinem Sprachorgan nicht.
Es reagiert nicht auf meinen Willen, es hört nicht auf mich.

Ich bringe keinen Satz heraus.

"Ha! Na dann hat ja alles bestens funktioniert!", lachte er,
"Passen sie gut aufeinander auf!", sagt er zum Abschied
und verlässt den Raum durch eine Tür.

Wie von selbst setzt sich mein Körper in Bewegung.
Ich bin bei vollem Bewusstsein, ich spüre sogar den Luftzug.
Aber ich kann meinen Körper nicht steuern.

Was ist passiert!?


Z.

9. September 2008

Die letzte Bahnfahrt.


Das Signal blinkt, die Bahn fährt ab.
Ich schaue dem Zug hinterher, bis er im Dunkel der Nacht verschwindet.
Ich stehe neben einer gelb leuchtenden Bahnsteigslaterne mit dem Rücken
zum Fahrscheinautomaten und schaue auf das zerfallende Bahnhofshäuschen
auf der anderen Seite der beiden Gleise.
Das Gebäude hat risse in der Wand, die Fenster der Außenschalter sind
provisorisch mit Klebeband und Karton geflickt - ich nehme an, die
Scheiben wurden eingeschlagen oder anderweitig beschädigt - die Türen
sind verriegelt, sei es nun durch die Holzlatten oder die rostige Kette.
An den quittenfarbenen Wänden prangen Parolen und kunstlose Tags.

Im Obergeschoss brennt Licht und aus dem offenen Dachfenster schallen
vertraute Geräusche eines Werbeblocks im Fernsehen. "Sehen sie jetzt! -
Der Blockbuster am-" Wie gewohnt. Aus dem Dachfenster blitzen Lichter
sämtlicher Farben und ich frage mich, wie man sich freiwillig einem so
hektischen Farbblitzwechsel aussetzen kann - überhaupt; was muss ein
Mensch für Probleme haben, sich andauernd diesen Scheiß aus der Glotze
geben zu müssen? Dadurch ändert sich für einen doch nichts - rein gar nichts!
Man macht dazwischen einfach weiter, womit man aufgehört hat. Man hat
bloß Zeit verloren, die Dinge zu tun, die man eigentlich wirklich von
sich heraus tun möchte. Stattdessen setzt man sich vor die Flimmerkiste
und schaut zu. Man bekommt alles vorgekaut und vor den Latz gekotzt.
Man sollte weder versuchen, die Welt in einen Kasten zu quetschen, noch
sie darin zu suchen. Viel eher sollte man die Dinge selbst erleben gehen.

Eben fuhr die vorletzte Bahn ab. Warum ich nicht eingestiegen bin?
Ich möchte die letzte Bahn nehmen. Mit der letzten Bahn dieser Nacht
fahre ich hinaus und gehe die Dinge selbst erleben. Man muss und will
im Leben mehr als nur Fern gesehen haben. Heute Nacht wird für mich eine
Bahnfahrt zum ersten Mal das Ziel und nicht der Zweck sein. Durch die
zerkratzten Scheiben möchte ich die Welt sehen - denn im Gegensatz zu
Straßen und Autobahnen bieten die meisten Bahnstrecken einen Wunderbaren
Ausblick auf dieses Jammertal.

Durch die Scheiben eines Zuges sieht man ebensoviel Landschaft und Bäume
wie Vororte und Hauptbahnhöfe. Man sieht Menschen, und man beobachtet sie
und erörtert in Gedanken ihre Herkunft, ihre Intention, ihr Ziel.
Man merkt sich ihre Gesichter und schaut jede Haltestelle, wer aussteigt.
Manchmal warten Menschen auf sie. Draußen auf dem Bahnsteig werden sie
umarmt, geküsst und anderweitig begrüßt. Oder sie hetzen gedankenlos aus
dem Zug hinaus und sprinten die Treppe hinab um zum nächsten Gleis zu kommen.
Menschenmassen drücken sich mit ihren Koffern durch Menschenmassen, die
natürlich zurückdrücken, ein Strom entsteht nie wirklich. Sie drücken und
drücken, z.B. in Fahrstühlen. Jeder trägt dieses "Komm-mir-nicht-zu-nahe!"-
Gesicht und sobald die Aufzugtür aufspringt, fangen sie an zu drücken.

Gibt es denn niemand, der in dieser rastlosen Welt konsequent ruhig bleiben
will oder kann? Auch an einem Bahnhof mit einem Lächeln herumschlenkern,
mit der nötigen Eile, aber ohne zu hetzen? Es ist doch so herrlich, das
Bahnfahren. Wer meint, in Bahnen nicht mehr aus dem Fenster schauen zu
müssen, der muss wohl davon überzeugt sein, es mit Fernsehen nachholen zu
können. Dabei ist es doch so viel eigener, so viel freier, die Welt an sich,
wie sie ist, zu beobachten, zu erfühlen, zu erschließen. Ganz ohne Worte und
anderen Reizzusätzen. Einfach dasitzen und schauen. Und staunen. Staunen
über die Welt, so ganz unselbstverständlich.

Ich führe mir all die Menschen vor Augen, die den Blick für das Wirkliche,
für das Wahrhaftige, das Echte verloren haben, und mit dem Genießen und
Erleben wählerisch geworden sind. All diejenigen, die in der Bahn alle zehn
Minuten auf die Uhr blicken oder versuchen, zu schlafen, um möglichst wenig
von der ach so ätzenden und langweiligen Fahrt mitzubekommen.
Und ich beginne, die Leute zu verachten.
Bin ich ihnen eigentlich voraus mit meiner Erkenntnis?
Oder hinke ich ihrem proklamierten "Fortschritt" hinterher?

Ich frage mich, ob die Welt wohl heilbar ist.
Wie soll ich sie davon überzeugen, öfters mal die Klappe zu halten und
stattdessen einfach mal zuhören, lauschen, beobachten. Ich will ihnen
beibringen, mit dem Schweigen eine Aussage zu machen, mit der Ruhe Stärke
zu beweisen und die Harmonie zu erlernen.
Aber ich bin ehrlich zu mir. Ich mache mir ja sonst immer Hoffnungen,
aber hier muss ich mich geschlagen geben. Wenn man es mit den Menschen
gut meint, jagen sie einen davon. Man kann nur gegen sie gewinnen,
doch niemals, niemals mit ihnen zusammen. Das Vorhaben, die Leute besser
machen zu wollen, ihnen zu helfen, den Weg zu zeigen - Vergebens!
Man hat schon von vornherein verloren.
Kapitulation!

Ich höre, wie die Gleise surren, dann das Rauschen des näher kommenden Zuges.
Wie ein Brüllen klingt es, als der Zug ganz schnell und ganz nah an mich
herankommt. Ohne Anlauf hüpfe ich vom Bahnsteig auf die Gleise.
Der Zug trägt mich fort.
Das letzte, was ich sehe, ist das offene Dachfenster, aus dem bunte Lichter schimmern.


Z.

6. September 2008

Nacht, du Heilige.


Weiblich musst du sein,
Denn du verführst und faszinierst.

In den Armen deiner Dunkelheit fühl ich mich geborgen.
In der Stille deines Schweigens fühl ich mich verstanden.

Die Klarheit, deine unendliche Klarheit.
Die Selbstverständlichkeit, deine unendliche Selbstverständlichkeit.
Die Undurchdringlichkeit, deine unendliche Undurchdringlichkeit.

Es ist entspannend,
Mich in dir zu verirren,
Mich in dir zu verlieren,
Mich an deine Seite zu stellen und zu lauschen.

Du bewegst mich, machst mich rastlos,
Du verrätst mir oft nur das, was ich schon weiß.
Du offenbarst mir deinen Reichtum,
Du hauchst kryptischen Schlummer --
Du bist und bleibst mir auf ewig ein Rätsel.
Du bist Quell.
Du bist Ziel.

Mit dir fühl ich mich, als wäre ich
Der einzig Verstandene,
Der einzig Geborgene,
Der einzig Erwachte.

Denn du schenkst mir meinen Schlaf.
Und gleichsam bist du es, der mich um ihn beraubt.

Du verführst und faszinierst --
Weiblich musst du sein.

Nacht, du Heilige!


Z.

5. September 2008

Kastenwelt.


Verstörend, diese Einsamkeit.

Nein, Einsamkeit ist es auch so - man nenne es doch lieber Isolation.
Isolation. Isolation - Isolation. Isolation, Isolation, Isolation, Isolation! Isolation.
Macht mich ganz krank und noch verrückter, als ich es ohnehin schon bin.

Mir wurde die Welt genommen, die große weite Welt. Aus diesem Kasten.
Wie kam sie da hinein?
Wie kam sie da hinaus?
Ich weiß es nicht. Aber Tatsache ist – sie war da drin.
Ganz lange war sie da und nun ist die Welt wieder fort.
Der Kasten sagt dazu nur „…konnte nicht gefunden werden“.
Komischer Kasten.

Aber was soll man denn auch sonst von einem Nichtmensch denken?
Hauptsache alles funktioniert – solange muss man auch keine Fragen stellen.
Sobald es eine Unreinheit gibt, ein Schlagloch im Asphalt, eine Fliege in der Suppe, ein Dorn im Auge – sobald etwas anders läuft, als man erwarten würde, stellt man Fragen.
Was ja nichts Schlechtes ist, es gibt ja genug Antworten – logisch gesehen für jede Frage eine. Aber Logik hin oder her – man könnte eher meinen, es gäbe mehr Fragen als Antworten.
Ich frage mich zum Beispiel gerade, was wohl passieren würde, wenn alle Menschen ihre Kastenwelt verlören. Mit einem mal weg – alle diese Welten! Für alle. Was wohl da los wäre?
Vielleicht sucht man die Schuld. Bei den Mächtigen, die plötzlich ganz machtlos erscheinen, wenn es darum geht, unzählige verloren gegangene Welten wiederzufinden.
Dann Revolution – alle schlagen sich gegenseitig die Köpfe ein, bis sie merken, dass sie dadurch nichts wiederfinden, sondern nur noch mehr verlieren.
Dann Depression – alles steht still. Der Apparat schweigt. Die Leute würden verrückt vor lauter Ruhe, weil sie nichts mit ihr anzufangen wüssten.
Dann Aufbruch – man baut sich einen Ersatz, größer und besser als je zuvor. Eine neue Welt, und man vergisst die, die verloren ging, nicht mehr. Und wer sie doch nicht vergessen kann, verreckt an seiner unstillbaren Sehnsucht nach der Vergangenheit.

Übertragen auf einen Einzelnen – in diesem Fall auf mich selbst – trifft meine Theorie zu.
Durch das lähmende Gefühl von Isolation werde ich ganz impulsiv und krank, dann lethargisch.
Und dann die Aufbruchsstimmung, eine neue Welt zu schaffen.
Aber alleine schaffe ich das nicht.

Die Kastenwelt lügt und setzt Illusionen in meinen Kopf.
Sie verspricht und zeigt.
Sie inspiriert und irritiert.
Man muss sich einen Weg bahnen.
Viele scheitern und verirren sich.
Eigentlich alle verirren sich in dieser Kastenwelt.
Eigentlich alle verlieren sich in dieser Kastenwelt.
Man beginnt, sich so voll wie der Kasten selbst zu fühlen.

Ich will mich davon lossagen.
Ich schreibe alles auf einen Zettel.
Den ich falte und in den leeren Kasten werfe.

Und dann lege ich mich schlafen und träume.
Was ich genieße, weil ich verstehe, dass es Ruhe und Erholung in keiner Kastenwelt gibt.
Welten haben doch so viel mehr zu bieten als Versprechen und Pläne.


Z.

1. September 2008

Gesichstssalat IX


















Ich möchte ein Rätsel bleiben.
Für alle anderen.
Für mich selbst.


Z.