31. Juli 2008

30. Juli 2008

Die rote Funzel.


Mein Kopf schmerzt.
Die rote Funzel weist mir den Weg.
Sie ist alles, was ich sehe, um sie herum ist dunkel.

Ich sehe nur dieses rote Licht vor mir, als würde es mich ziehen,
und ich rieche und höre und fühle.
Geschmeckt wird schon lange nicht mehr - mein Hals ist pelzig und flau.

Ich rieche die Gräser, die zu beiden Seiten der nicht enden wollenden Bahn
sich mir zuneigen. Ihr Geruch ist mehr bitter als süß, ungenießbar, und
ruft ein niederschmetterndes Stechen in meinem Kopf hervor.

Ich folge weiter der roten Funzel.
Sie schaukelt vor mir her und glüht mal mehr, mal weniger.
Nach einiger Zeit, in der ich meine Mühe darauf verschwende, meinen
Geruchssinn auszublenden, erkenne ich einen Zusammenhang zwischen
der Stärke des Leuchtens und der Geschwindigkeit unserer Fortbewegung.

Ich höre Zirpen und Rascheln, Knacken und das Rauschen in meinen Ohren.
Ohne Melodie, ohne Rhytmus - ohne Harmonie.

Mir ist unwohl, habe Kopfweh, denn die Funzel neigt gelegentlich stark
zur Seite und ich muss ihrer Linie folgen. Und es ist doch so dunkel!
Die stinkende Luft streicht über Mein Gesicht, welches allmählich zu
schwitzen beginnt und somit den Gegenwind intensiviert. Auch mein
Körper kommt unter der isolierenden Wollweste ins Schwitzen.

Ich fühle, wie mein Kopf blau anläuft und mein Torso im salzig sauren Schweiß
badet. Der gefühlte Temperaturunterschied löst noch mehr Kopfschmerz aus.

Ich folge weiter der Funzel, wie schon die ganze Zeit.
Es fällt mit jeder zurückgelegten Längeneinheit schwerer.
Wie in Trance, kurz vor dem endgültigen wegpennen, fahre ich weiter diesem
scheiß Licht hinterher, alles andere war Nacht.
Alles ist schier endlos.

Nach einigen Stunden bekomme ich Hunger.
und Durst, ja, Durst, einen scheiß Durst.
Aber wen interessiert das schon?
Ich muss dem roten Glühen folgen, bis ich wieder Licht finde.


Z.

28. Juli 2008

Sommerspiel.


Sie waren wie Kinder.

Wie Kinder tobten sie über die Wiese und rissen Furchen in die hoch
gewachsenen Gräser, deren Blüten und Halme in der warmen Luft
dufteten. Der Himmel hatte dieses sommerabendliche Schimmern,
dieser goldstich um die Schleierwolken herum.

Die beiden waren allein, völlig abgeschnitten vom Alltag, von ihren
Verpflichtungen und Sorgen. Also waren sie wie Kinder - sie hatten
nur sich selbst, wobei das "nur" hier ganz und gar keinen Mangel
suggerieren lassen will - ganz im Gegenteil - dass sie sich gegenseitig
hatten, reichte den beiden vollkommen aus - sie brauchten nichts als
die Gesellschaft des jeweils anderen.
Zusammen waren sie vollkommen.

Und sie fühlten beide, dass es eine ganz besondere Verbindung war.
Wie Kinder glaubten sie, nichts und niemand könne sie jemals
voneinander trennen. Wie Kinder dachten sie weder an Zukunft noch
an Vergangenheit, nur an den Augenblick, der so voller aufregender
Gefühle war - Neugier, vor allen anderen. Voller Entzücken drehten
sie jeden Stein um und genossen die Schönheit allen Seins, sie nahmen
Beeren in den Mund, die sie irgendwo im Gestrüpp gefunden hatten,
um ihre Genießbarkeit zu erschmecken.

Voller Leichtigkeit sprangen sie ins seichte Wasser eines Bächleins
und erschreckten eine Entenfamilie, die schnatternd in einer Reihe
in das schützende Schilf floh.
Die beiden genossen ihren Trieb und spielten, ichre Bewegungen
waren wie ein sonderbarer Tanz, und plötzlich wurden sie ganz still.

Sie saßen nebeneinander am Rand des Bächleins, aßen wilde Beeren
und nahmen einen tiefen Zug der warmen blühenden Gräser um sie
herum. In diesem Augenblick wurde ihnen klar, wie glücklich sie
waren und dass all dieses Glück nicht wäre, hätten sie nicht einander.
Sie blickten einander mit dem süßesten Ausdruck an - in dem sich ihr
Blick traf, hatten sich ihre Lippen schon fast berührt und sie schlossen
die Augen. Es war ihr erster Kuss und wie Kinder fühlten sie sich,
in ihnen wurde etwas geweckt, was sich in ihren kribbelnden Bäuchen
schüttelte und streckte.

Wie Kinder waren sie nun der Überzeugung, diesen gemeinsamen
Moment für die Ewigkeit festhalten zu können, der sie so sehr erfüllte.
Und wie Kinder waren sie zum Scheitern verurteilt.

All dies Spiel - die Leichtigkeit, als könnten sie sich alles Leisten -
diese freudige Neugier, neues zu Entdecken - zu wissen, dass man
noch nicht alles weiß - dieser Witz in jedem Wort, in jeder Tat.
Jedes Spiel muss irgendwann enden.

Und meist bleiben nur zwei Verlierer mit schönen Erinnerungen,
an denen sich sich festzhalten versuchen. In den seltensten und
gleichsam wertvollsten Fällen gewinnen beide --
Mit viel Geduld, Ausdauer und dem Willen, GEMEINSAM zu gewinnen.


Wir sind wie Kinder.
Und ich will dich nicht verlieren.

25. Juli 2008

Der Fast-Todestag.


Heute hätte ihn beinnahe eine S-Bahn erfasst,
wäre nicht jemand zur Stelle gewesen, um ihn
auf den Bürgersteig zu ziehen.

Was mich schockiert - oder auch nicht - ist nun
die Tatsache, dass er nicht schockiert war, kein
Bisschen. Es hätte ihm wohl absolut nichts aus-
gemacht, vom zarten Lebensentwender heim-
gesucht zu werden, wo er doch eigentlich keine
Sterbenswünsche hegt. Mit Sicherheit hätte er
im Nach hinein sein frühes Ableben bedauert,
weil es noch ein paar Individuen gibt, mit denen
noch eine Rechnung offen steht.

Was mich also schockiert, ist nicht etwa die Tat-
sache einer fast gestorbenen Person, sondern die,
dass ihn hier nichts mehr hält als unbeglichene
Rechnungen.


Z.

16. Juli 2008

Und es bleibt wieder ungesagt.


Mit zittrigen Händen hebt sie den Umschlag, der handschriftlich mit ihrem Vornamen versehen wurde. Zuerst zögert sie, dann reißt sie den Umschlag auf und zieht den cremefarbenen Bogen heraus, auf dem sich feine, fast unlesbare Kringelchen, Striche und Schlaufen abwechseln. Sie entfaltet den Brief und betrachtet das charakteristische Schriftbild.
Die Zeilen sind kerzengerade, man kann zwischen dem Gekrakel deutlich die unsichtbaren Linien sehen.


Liebe ~~~~~,

Du raubst mir den Schlaf.
Wieder sitze ich mit halb geschlossenen Augen auf meinem Bett, was, dadurch, dass ich schon so lange darin verharre, total warm ist - diese unmenschliche Julihitze macht mich ganz verrückt!

Du fehlst mir.
Mein Gesicht spiegelt sich in der kleinen Scheibe, die ich mit direkt vor mein Gesicht halte, um jede Pore, jede Falte sehn zu können und meinen Mund. Meine Mundwinkel sind leicht nach unten gebogen - wie deine! Unsere Münder unterscheiden sich fast nur in der Größe unserer Oberlippe - ich versuche, sie aussehen zu lassen wie deine. Und dann vermisse ich deine Lippen.

Du bist weg.
Zumindest im Moment. Und auch wenn ich wieder aufwache, wirst du nicht bei mir sein - dabei will ich dir so viel erzählen. Überhaupt will ich dir so vieles sagen, was jedoch immer unausgesprochen bleibt, wenn ich in deiner Nähe bin. Ich weiß nicht, ob es angemessen ist. Ich denke Tag und Nacht an dich, ich träume von dir, du weichst kaum aus meinen Gedanken.
Aber eines weiß ich.

Du ließt dies hier.
Wenn ich dir schon nichts erzählen kann, dann will ich es dir doch wenigstens schreiben, vielleicht hilft es uns ja ein bisschen, wenn wir uns gegenseitig einen Einblick in die Gedankenwelt gewähren. In dieser Hoffnung versuche ich nun, wenigstens ein bisschen ruhigen Schlaf zu finden.

In Liebe,
~~~~~~~~


Dann faltet sie das Dokument wieder zusammen, steckte es in den zurückgebliebenen Rest des Umschlags, den sie vom Boden aufgehoben hatte. Sie legt den Brief auf den Tisch neben ihrem Bett, welches in dieser Julihitze unangenehm warm war, da es sich durch ihre Körperwärme aufgehitzt hatte. Sie lässt ihren aufgerichteten Oberkörper ins Weiche fallen und löscht das Licht.

Ihr Gesicht verriet alles.


Z.

12. Juli 2008

Über die Angst.


Menschen, die der Angst empfänglich sind,
bringen nichts als Leid & Zerstörung.

Woraus sie entspringt, und wozu sie wiederum führt, ist reiner Egoismus.

Was von vielen bisweilen womöglich fehlinterpretiert wurde:
Der Mensch ist von Natur aus nicht etwa egoistisch,
Der Mensch ist von Natur aus ängstlich!


Z.