28. April 2008

Stellensuche - An erster Stelle


Wie gehetzt rannte er durch die Gassen.
Das Pflaster rutschte seitwärts in den nassen Schlamm,
das Muster des Pflastermosaiks war am Zerfallen.
Khrck - da lag er auf dem nassen Weg, wegen eines herausstehenden Absatzes riss es ihn sogleich von den Füßen.
Nichtsdestotrotz richtete er sich wieder auf und nahm erneuten Anlauf.

Er rannte weiter.
Bald schon sprang er über eines der Löcher,
die das Weglein so unbarmherzig machten.
Der Sprung an sich war ihm so leicht, er dachte an die Sonne, die bis vor Kurzem noch die Dächer wärmte, an das schöne Wetter, was ihn dazu brachte, sein bequemes Häuslein zu verlassen. Mit diesem Bild vor Augen fühlte er sich für einen Moment wie ein König.
Mitten im Aufkommen rutsche er aus - schlagartig legte es ihn - mit dem Kinn und seinen Händen voraus - unter quetschendem Schmerz auf den Boden.
Warum er liegen blieb?
Es tat sehr weh.
Vor allem, weil er mit einem mal aus seinem Optimismus gerissen wurde.

Allmählich fühlte er seinen Körper nicht mehr, es wurde kälter, die Regentropfen schossen wie Eiszapfen in ihn hinein. Diese Qual bewegte ihn letztendlich doch dazu, seinen geschwächten Leib hinaufzuhieven und weiterzurennen, auf ihn wartete ein wärmendes Feuerlein, und was noch wichtiger ist, Sie wartete auf ihn. Niemals würde er sie im Stich lassen wollen.

Dieser Antrieb war nicht mit einer Kerzenflamme zu vergleichen, wie er es sonst immer tat - nein! Das waren meterhohe Flammen, pure Energie!

Wie in Trance fegte er durch die Gassen, er kam ins Stolpern, aber der Schwung hielt ihn oben, er rannte und konnte nicht mehr davon ablassen, es zog ihn schon fast von allein.

Und dann --

Die Tür stand einen Spalt weit offen.
Das Licht war gelöscht.

Er trat hinein, alles tat ihm weh, alles war taub, sein Herz hing ihm im Hals,
alles pochte dröhnend, zerreißend.
Wo ist sie?

Er tastete sich durch den Gang, den Korridor entlang, bis zur Tür.
Er holte tief Luft und versuchte, seinen Atmen zu beruhigen.
Dann schritt er mit dem Gefühl, als würde etwas in ihm absterben, durch die Tür und...


Sie saß seelenruhig vor dem Feuerchen und laß ihre Groschenromane.
Erst sein Schnaufen ließ sie aufhorchen.
"Wie siehst denn du aus? Warst du draußen?", fragte sie.
Er schaute sie nur verzerrt und fragend an.
"Ab ins Bad mit dir, du bist ja völlig eingesaut!

...

Aber sei so gut und bring mir vorher mal eben meinen Kaffee. Und wenn du schon gerade dabei bist, mach mal das Licht an, es ist so dunkel geworden... Schatz?"


Z.

20. April 2008

Routine und Sattheit


Der Himmel war leer.


Z.

19. April 2008

Die Schildkröte

Und nun schreibe ich doch über dich.
Sie öffnete das Fenster.

Durch den Spalt drang augenblicklich frische Frühsommerluft, die der Wind von Süden brachte. Langsam und genüsslich sog sie den Hauch durch ihre Nase ein. Tief in ihr begann dieser Atemzug zu blühen.
Sie kippte die Flügel bis zum Anschlag und trat vor, um sich so weit wie möglich aus dem Rahmen zu lehnen, wozu sie auf der Fensterbank, auf der sie sich mit beiden Händen abstützte, Platz nahm und ihre Füße leicht über dem Zimmerboden baumeln ließ, während sie ihren Kopf in die Ferne neigte.

Sie schloss die Augen.

Die Linden vor dem Haus dufteten mild und die warme Luft ließ den Geruch bis zu ihrem Fenster hoch steigen. Die Sonne schien sanft auf ihre Schulter.

Sie lächelte.

Was er wohl gerade tut?
Vielleicht sollte ich ihm schreiben?

Nachdem sie noch einige Gedanken lang im Fenster saß und die Gegebenheiten genoss, stieg sie wieder zurück ins Zimmer und öffnete den Sekretär.
Sie nahm zwei Bögen Papier, stellte ihr Tintenfass daneben und suchte die goldene Feder für den Ebenholzfederhalter, in dem ihre Initialen eingraviert waren. Ein Geschenk.

Sie runzelte die Stirn.

Nach kurzem Überlegen nahm sie noch einen dritten Bogen und verlegte ihr Vorhaben vom Sekretär auf die Fensterbank. Dort saß sie noch einige Minuten bis sie schließlich den Entschluss fasste

Heute nicht.

Sie packte ihre lederne Umhängetasche und stürmte
die Treppen hinab, aus dem Haus, hinaus.

Sie rannte.

Erst die Allee entlang und dann in eine Seitengasse, von wo sie durch einen schmalen Pfad an einem kleinen Tümpel vorbeikam. Als sie sich ganz im Schutz des Blätterdachs befand, verringerte sie ihr Tempo.

Sie spazierte.

Vorsichtig stapfte sie durch das Geäst und wich den kleinen Pflänzchen am Boden aus, um sie nicht zu zertreten. Die Vögel sangen ihr Lobeslied an den Lebensgott, seine Präsenz war in den Tiefen des Waldes deutlich spürbar.

Sie stoppte.

Der Weg endete an einem Ufer und sie entschied, rechts am Ufer entlang den kleinen See zu umrunden. Alles war so friedlich, so herrlich, und es gehörte nur ihr, der Augenblick war ungeteilt, sie allein fühlte, was niemand anderes sonst nun fühlte, sie atmete tief ein, mit einem Lächeln fügte sie ihrem Schritt einen leichten Schwung zu, der sie tänzelnd auf einen üppigen, abgebrochenen Ast springen ließ. Die Sonne strahlte ihr direkt ins Gesicht, sie schloss reflexartig ihre Augen, ohne ihr Lächeln zu verlieren.

Sie streckte ihre Arme weit aus.

Als wollte sie den ganzen Wald umarmen, in seiner Hut fühlte sie sich gänzlich frei. Frei von Furcht, frei von Zweifel, frei von allerlei, was ihr das Leben unter ihren Artgenossen so unerträglich, fast unmöglich machte.

Was er wohl gerade tut?
Vielleicht sollte ich ihm schreiben.


Z.

16. April 2008

Portrait der Schönheit





























Ein Bild sagt mehr als tausend Worte...


Z.

15. April 2008

Gesichtssalat IV




























Eine Idee.
Eine neue Feder.
Eine schwarze Tinte.
Ein leeres Blatt Papier.
Ein klein wenig zu viel Zeit.
Ein Meer aus Schwung und Kraklerey.


Z.

9. April 2008

Gleitcreme


Er drückt sich durch die Sitzsymmetrie.
Der Blick gesenkt, wie immer, ich will niemanden sehen
und von niemandem gesehen werden.
Passagier 09042008M, das bin ich, kann trotzdem nicht widerstehen
und schielt kurz nach rechts.
Dort sitzt Passagier 09042008W und schenkt ihm das süßeste Lächeln des Tages.
Völlig irritiert setzt er sich hin und verharrt einen Moment.
Das Lächeln erfüllte mich mit Freude und Wärme -
Wie lange schon habe ich so ein ehrliches Lächeln nicht gesehen?
Er musste lachen.

Er sah ihr Gesicht nur für einen kürzesten Augenblick.
Ich hatte es vergessen. Ich versuchte es, zu rekonstruieren.
Dann übermannte mich wieder der Halbschlaf.
Er saß apathisch da und starrte hinaus in den grauen Regen.
Der Bus hielt. Sie stieg aus, und als ich dies bemerkte,
war sie schon an mir vorbeigerauscht, ohne, dass ich ihr Gesicht erhaschen konnte.
Mist!
Ich würde sie gern im nächsten Leben wiedersehen...
Bis dahin wird sie ein gesichtsloses Lächeln bleiben,
welches an diesem Tag mein einziger Sonnenstrahl war.


Z.